AxOM Wissenschaft auf Radio x: Arbeit15. März, 14- 16 h, 91.8 fm
In der März- Sendung wird ARBEIT das übergeordnete Thema sein. Welche negativen Auswirkungen hat das bestehende Arbeitssystem für die Menschen und unsere Umwelt? Welche positiven Trends sind aktuell in der Struktur von Arbeit zu erkennen? In welche Richtung sollte sich das Arbeitssystem entwickeln? Oder gibt es vielleicht Alternativen zu dem bestehenden Arbeitssystem? Muss gar ein ganz neuer Begriff von Arbeit her? Fragen, die nicht leicht zu beantworten sind. Vielleicht gelingt es uns, einige gute Ideen zu entwickeln und Denkanstöße zu geben.
Download, Themensendung über Arbeit: Fritjof Bergmann, neue Arbeit, neue Kultur und Entgrenzung von Arbeit, Zeitschrift Westend, Herrmann Kocyba
Fritjof Bergmann, neue Arbeit, neue Kultur, Entgrenzung der Arbeit, Literatur und Arbeit
Fritjof Bergmann, neue Arbeit, neue Kultur, Entgrenzung der Arbeit, Literatur und Arbeit
1. Was ist eigentlich Arbeit ?
von Stephan Kyrieleis
Die Arbeit gehört zu den zentralen Themen im Leben jedes Einzelnen und der Gesellschaft. Doch was ist sie für ein Gut, das sich Menschen glücklich schätzen welche zu haben und sogenannte Arbeitslose in Depressionen verfallen ? Um diese Frage zu beantworten brauchen wir zunächst eine Definition des Wortes Arbeit. In der Wikipedia findet sich dazu folgender Satz: „Das Wort Arbeit bezeichnet im Allgemeinen die zielgerichtete, zweckgebundene menschliche Verrichtung -siehe Tätigkeit“. Das würde bedeuten auch Essen und Schlafen wären Arbeit, da sie dem Zweck der Aufrechterhaltung der körperlichen Lebensfunktionen dienen. Unter dem Begriff „Tätigkeit“ findet sich dann folgender Satz „Tätigkeiten, die zweckmäßig und zielgerichtet auf die Erfüllung bestimmter individueller und gesellschaftlicher Verpflichtungen ausgerichtet sind, werden unter dem Begriff Arbeit zusammengefasst.“ Das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache (Ausgabe 1967) sieht den Ursprung des Wortes Arbeit in germanischen Wörtern mit Bedeutungen wie „verwaist“, „Mühsal“ oder „Bedrängnis, Not“.
In dem man seine geistige oder körperliche Arbeitskraft verkauft oder als Selbstversorger zum eigenen Lebensmittelanbau nutzt, kann man die Bedrängnis überwinden. Um zu überleben nimmt man dabei auch manche Mühsal in Kauf. Doch es gibt nicht nur die Erwerbsarbeit. Wenn unbezahlte Tätigkeiten nicht unmittelbar dem eigenem Individuum oder dem Zeitvertreib dienen, sind sie auch Arbeit. Gerade Vereine und Bürgerinitiativen können ihre Aufgaben nur durch diese ehrenamtliche Arbeit bewältigen.
2. Warum erscheint Arbeit den Menschen so wichtig.
In einer Gesellschaft in der es keine richtige Grundsicherung gibt, dient Erwerbsarbeit der Sicherung der Lebensgrundlage. Einkünfte sind notwendig um sich eine Behausung, Nahrungsmittel und Kleidung leisten zu können. Heutzutage geht es dabei nicht nur um die existenziellen Dinge sondern auch um den zusätzlichen Luxus. Unterhaltungselektronik, Autos oder Reisen wollen finanziert werden. In einem Sozialstaat bietet Erwerbsarbeit auch eine gewisse Sicherheit, da mit den Kosten für die Arbeit auch Kranken-, Renten- und Arbeitslosigkeitsversicherung finanziert werden. Fast genauso wichtig wie das Geld ist aber auch der Wunsch nach Anerkennung. Durch die Tätigkeit und Stellung kann ein eigener Status definiert werden. Lob und Anerkennung von Arbeitskollegen oder des Chefs stärkt das Selbstwertgefühl. Als dritte Grund warum Arbeit für die meisten Menschen so wichtig ist, kann die Zeitstrukturierung genannt werden. Festgelegte Arbeitszeiten ersparen eine eigene Strukturierung des Tages. Die Konzentration auf die Arbeit lenkt Menschen von anderen Gedanken ab. Kurzum: Die Sinnfrage des Lebens kann mit der Arbeit beantwortet werden. Das erklärt auch, warum Menschen arbeiten, die es finanziell nicht nötig hätten und warum Menschen, die plötzlich arbeitslos oder in Rente sind, oftmals in eine Krise geraten.
3. Gibt es Arbeit für alle ?
Seit Jahrzehnten sind die Arbeitslosenzahlen das Thema in der Politik. Die Schaffung von Arbeitsplätzen dient als Totschlagargument, wenn es darum geht zweifelhafte Großprojekte zu subventionieren oder die Rechte von Arbeitnehmern zu beschneiden. Was die Erwerbsarbeit betrifft, ist „Arbeit für alle“ aber nur ein leerer Politslogan. Professor Meinhard Miegel vom Institut für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn rechnet vor, dass es im 20.Jahrhundert nur 25 Jahre lang Arbeit für alle gegeben hat und zwar während der beiden Weltkriege sowie zwischen 1960 und 1973. Vollbeschäftigung war in diesen Zeiten nur möglich, da große Teile der Bevölkerung als Soldaten beschäftigt waren und die Bevölkerung durch Kriegstote bzw. geringe Geburtenraten dezimiert wurde. In den 60er Jahren war die Vollbeschäftigung nur möglich, da die Mehrzahl der Frauen als Hausfrauen nicht auf den Arbeitsmarkt drängten. Seit den 60er Jahren hat sich die Situation stark gewandelt. Trotz der beschränkten Ölreserven ermöglichen heute extrem niedrige Transportkosten und ein weltumspannendes Kommunikationsnetz besser den je Arbeitsplätze in andere Länder mit niedrigeren Lohnniveaus zu verlagern. Jüngstes Beispiel ist die Verlagerung der Produktionsstandorte für Wasch- und Spülmaschinen der Firma Electrolux von Nürnberg nach Polen und Italien. Im Poker um Arbeitsplätze können Wirtschaftsunternehmen die Länder und ihre Subventionsangebote geschickt ausspielen. Die Löhne hierzulande zu senken, kann aber auch nicht die Lösung sein. Dadurch würde nämlich die Kaufkraft abnehmen und sich die Nachfrage für billigere Artikel steigern. Um Wettbewerbsfähig zu bleiben müssten Artikel also noch billiger hergestellt werden, was nur durch eine Reduzierung der Lohnkosten möglich wäre. Die Arbeitnehmer dieser Firmen müssten nun wiederum auf billigere Artikel zurückgreifen usw.
4. Wege aus der Misere
Um nicht in einen Strudel von immer niedrigeren Löhnen und Preisen zu geraten, müssen neue Wege gefunden werden um Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Dazu gehört eine Verteuerung der Transportkosten durch einen Abbau von direkten und indirekten Subventionen sowie Nutzungsgebühren für die Verkehrsinfrastruktur, die den tatsächlichen Unterhalts- und Umweltkosten entspricht. Nähe zum Verbraucher muss sich für Firmen auch wirtschaftlich auszahlen. Viele neue Arbeitsplätze könnten auch im sozialen Bereich geschaffen werden. Gerade im Gesundheits- und Pflegebereich könnte verstärkte persönliche Zuwendung jährlich Millionenbeträge einsparen, die heute für Medikamente und überflüssige Untersuchungen ausgegeben werden. Bedenkenswert ist auch das Modell eines Grundeinkommens, besser bekannt als Bürgergeld. Dabei würden Steuermittel, die heute für Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Subventionen sowie deren Verwaltungsaufwand verwendet werden, auf die Bevölkerung aufgeteilt. Dieses Geld wäre so knapp bemessen, dass es für das Existenzminimum reicht. Jeder Hinzuverdienst würde - anders als bei der Sozialhilfe - nur zum Teil auf das Bürgergeld angerechnet. Damit sind auch Befürchtungen gegenstandslos, ein Bürgergeld würde "Faulenzern" den Weg zu einem schönen Leben ebnen. Mit dem Bürgergeld könnte es sich jeder leisten freiwillig auch unbezahlte Arbeit zu machen, die den persönlichen Neigungen entspricht. Einer der sich für dieses Bürgergeld stark macht ist Götz Werner, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Drogeriemarkt-Kette dm. In einem Interview der Zeitung „Die Welt“ sagt er:
„1200 bis 1500 Euro für einen Erwachsenen könnten es durchaus werden; starten müßte man mit etwa 600 Euro. Mir kommt es aber zunächst gar nicht darauf an, einen Betrag zu nennen. Es geht darum, durch eine echte Reform die Initiative der Menschen zu entfesseln. Die wird derzeit gebremst durch die leistungsschädliche Progression in einem einkommensbezogenen Steuersystem und durch die persönliche Unsicherheit vieler Bürger. Eine Grundsicherung - von der Wiege bis zur Bahre - ohne Bedingungen und ohne Stigmatisierung, gäbe den Menschen Sicherheit. Sie könnten sich ohne elementare Existenzsorgen sinnvolle Arbeitsplätze suchen, statt Einkommensplätze annehmen zu müssen.“
Die Unsicherheit bezüglich der Existenzsicherung und Renten zu beseitigen, wäre ein wichtiger Beitrag zur Steigerung der Konjunktur. Aus Angst vor der Zukunft werden nämlich heute große Geldbeträge gehortet. Statt nach der Maxime „Geiz ist geil“ zu handeln, könnte dieses Geld wieder dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden.
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